Ich erinnere mich gerne an alte Zeiten, auch wenn nicht alle Erinnerungen an früher mir Freude bereiten.

Manches von damals war wunderschön. Manchen früheren Wegbegleiter würde ich gerne noch einmal wiedersehen. Manche Reise, manche Begegnung, sogar manches Missgeschick, auf das ich heute vielleicht sogar recht versöhnlich blick‘,

waren prägend und haben mich menschlich weitergebracht. Viele einzelne Erfahrungen, gute und schlechte, haben mich letztlich zu dem Menschen gemacht,

der ich bis heute geworden bin. Deshalb hatte jeder einzelne Lebensmoment eine Berechtigung, einen Sinn.

Gleichwohl gestehe ich mir selber ein, dass, aus damaliger Sicht, manches nicht

hätte sein müssen. Dass ich manchen Frosch weniger hätte vergeblich küssen

und manchen anderen Fehlgriff nicht hätte machen wollen. Und dass mancher Idiot mir weniger oft hätte blöd kommen sollen. Dass ich manche Blamage, manche Niederlage hätte gerne vermieden. Dass ich, mehr als nur einmal, gerne wäre unverletzt und unwissend-zufrieden geblieben.

Manche Enttäuschung und manchen Verrat, den mein Leben bis heute hielt für mich parat,

würde ich gerne ungeschehen machen und auch im Übrigen erinnere ich mich an eine Menge Erlebnisse und Sachen,

die zu durchleben waren alles andere als angenehm. Aber wer sagt, dass das Leben stets einfach und bequem

für dich und mich ist. Darum glaube ich, dass man am besten überhaupt nichts vergisst

von dem, was war, egal, ob gut oder schlecht; davon, wer einen, wann und wo, mehr oder weniger (un)gerecht

behandelt hat oder (un)anständig zu uns war. Gleichzeitig sollte uns dabei aber immer klar

sein, dass all diese Ereignisse sind vorbei, schon lange passe und dass frühere Wunden verheilt sind und uns darum längst nicht mehr weh

sollten tuen. Darum lasse ich alle damaligen Schmerzen und Tränen ruhen,

betrachte höchstens die hinterlassenen Narben, die alle ein und dieselbe Aufgabe haben

so wie jede einzelne Erinnerung, die wir besitzen. Sie formen uns, sollen uns als Beispiel oder Mahnmal nützen und für die Zukunft vor Wiederholungen gleichartiger Fehler bewahren, beschützen.

Darum erinnere ich mich gerne an schöne Sachen, glaube aber, dass mich tatsächlich eher die weniger schönen klüger und reifer machen.

Darum hat für mich jede Erinnerung bis heute ihren Wert und ihre Berechtigung.

Ich möchte auf keine einzige verzichten. Dementsprechend werde ich auch über mich und meine Vergangenheit immer nur nachdenken, aber niemals im Nachhinein richten.

Ich glaube, das ist der beste Weg, wie man gesund und vernünftig mit sich und seiner eigenen Vergangenheit umgeht, will man sich nicht mit alten Dämonen endlos-sinnlos befassen, diese die Zukunft negativ beeinflussen lassen

und trotzdem lernen, wo es etwas zu lernen gibt. Darum stets ein Hauch von demütiger Wehmut und Selbsterkenntnis über meiner Betrachtung längst vergangener Tage liegt.

So erinnere ich mich gerne an alte Zeiten, auch wenn nicht alle Erinnerungen an früher mir Freude bereiten.


Alle auf dieser und den folgenden Seiten verwendeten Texte und Fotografien sind urheberrechtlich geschützt. Solltest Du diese oder Teile hiervon verwenden wollen, wende Dich bitte an die Autorin – anja@gezittert-gereimt.de – ein Text von Anja Allmanritter, Koblenz